THE GREEN ACT - Auf neuen Wegen
Interview mit Patrizia Hermann
Das Warenhaus neu denken und Verantwortung für einen bewussteren Konsum im Sinne der Nachhaltigkeit aktiv mitzugestalten – das hat Jelmoli nun fest in seiner Strategie verankert. Ein Gespräch über den Wandel der Zeit mit Patrizia Hermann, Nachhaltigkeitsbeauftragte von Jelmoli. Interview mit Anka Refghi
Patrizia Hermann ist Vollprofi. Seit 14 Jahren bei Jelmoli und für den Einkauf der Damenwäsche verantwortlich. Zum Thema Nachhaltigkeit kam sie vor vielen Jahren. Sie verkaufte ihr Auto, lebte bewusster und absolvierte einen CAS-Studiengang in «Sustainability Management in Textiles». Als Nachhaltigkeitsbeauftragte begleitet sie die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie «The Green Act».
Patrizia, Jelmoli hat das hauseigene «Sustainable Label» lanciert, um nachhaltige Produkte zu kennzeichnen. Wie weit muss man den Begriff «Nachhaltigkeit» fassen?Es ist sehr schwierig heute, zu definieren, was nachhaltig ist. Die einen definieren nachhaltig bereits, wenn 20 Prozent nachhaltiges Material verwendet wird, andere, wenn lokal produziert wird. Es gibt keinen gesetzlich gültigen Rahmen. Diesen muss jedes Unternehmen selbst stecken. Die einen sind strenger, andere weniger.
Und Jelmoli?
Der Rahmen für unser Label besagt, dass diejenigen Produkte als nachhaltig referenziert werden, die mindestens über ein entsprechendes europäisches Zertifikat verfügen müssen. Die Zertifikate sind bei uns auch online einsehbar.
Nun produzieren viele Marken lediglich in einzelnen Bereichen nachhaltige Produkte oder erst Teilkollektionen …
Ja, es gibt noch wenige Firmen, die man gesamthaft als nachhaltig bezeichnen kann, aber ich finde es wichtig, dass man sich hier gegenseitig unterstützt. Viele unserer Partner machen sich gerade erst auf den Weg, und das möchten wir auch supporten.
Würdest du sagen, dass eine allgemeine Aufbruchstimmung herrscht?
Auf jeden Fall. Dieser Thematik kann sich heute kein Unternehmen mehr verschliessen.
Ein langer Weg … auch für Jelmoli.
Wir stehen noch am Anfang. Das ist uns bewusst und auch, dass es ein langer Weg ist, der nie abgeschlossen sein wird. Es ist aber wichtig, dass wir diesen gehen und Verantwortung übernehmen. Nun geht es darum, die richtigen Massnahmen zu ergreifen, um unsere Ziele zu erreichen.
Könntest du die Ziele kurz beschreiben …?
Wir unterteilen unsere Strategie in drei Teilbereiche: Umwelt & Tierschutz, Produkt und Mensch. Im Bereich Umwelt ist klar unser Ziel, bis 2040 klimaneutral zu sein. Dieses Ziel haben wir von unserem Mutterhaus, der Swiss Prime Site, übernommen. Hier gilt es, verschiedene Massnahmen wie Absenkungs- und Kompensationspfade zu definieren und den Ressourcenverbrauch zu verringern. Betreffend Tierschutz haben wir mit dem Verzicht auf Echtpelz und Exotenleder schon die ersten Schritte unternommen. Um aber noch deutlich besser zu werden, sind wir im aktiven Austausch mit Umwelt- und Tierschutzorganisationen.
Lenken wir den Fokus auf heute. Was hat Jelmoli bereits jetzt schon erreicht?
Wie bereits erwähnt der Verzicht auf Echtfell und Exotenleder, dann unsere Recyclingprozesse, die Sortimentserweiterung um nachhaltige und lokale Marken oder auch LKWs mit Biogasantrieb.
Die beste Strategie nützt nichts, wenn die Mitarbeitenden nicht mitziehen …
Das ist ein zentraler Punkt. Hier hat sich der Mindset bei Jelmoli sehr verändert. Vom Management ausgehend bis hin zu den jungen Leuten, die dafür brennen. Im Einkaufsprozess gehört das Thema Nachhaltigkeit mittlerweile ganz selbstverständlich dazu. Hier formulieren wir auch klar die Erwartungen an unsere Partner*innen.
Nun zu der Frage, mit der du dich vermutlich des Öfteren konfrontiert siehst: Kann Konsum nachhaltig sein?
Ich finde die Frage spannend. Wenn man zu 100% nachhaltig sein will, dürfte man nichts konsumieren. Aber das können wir nicht. Wir sind ein Handelsunternehmen, wir leben davon, und wir müssen wirtschaftlich sein. Aber ich finde den Ansatz wichtig, dass wir diesen bewussten Konsum unterstützen. Jelmoli führt Marken im mittleren und oberen Preissegment, und das sind Produkte, die in der Regel langlebig sind. Wir sind nicht in diesem Fast-Fashion-Bereich tätig, das hilft. Daneben gilt es aber auch, neue Business-Modelle anzubieten, wie wir es im Bereich Rent, Second Hand oder Reparaturservice schon heute tun, um die Lebensdauer von Produkten zu verlängern. Ich glaube fest daran, dass diese ergänzenden Angebote essenziell für die Zukunft der Warenhäuser sein werden. Da gibt es viele gute Ansätze.
Haben sich Kund*innen verändert?
Früher war es vor allem die qualitätsbewusste Frau, die wissen wollte, wo etwas produziert wurde, heute sind es vermehrt auch jüngere Kund*innen, die sich dafür interessieren und Transparenz verlangen.
Und zu guter Letzt: lokal vor global?
Ich glaube, Covid hat diese Frage noch einmal intensiviert. Vielen Menschen ist die Abhängigkeit von ausländischen Märkten bewusst geworden, und wir beobachten Lieferanten, die ihre Produktion zum Teil wieder zurückholen und sich auf das Lokale fokussieren. Ein Umdenken hat überall begonnen.